Interview: Unser neuer Bereich «Software & Platforms» startete im Homeoffice
Inside Komax
Am 1. Januar 2021 entstand bei Komax der neue Bereich Software & Platforms mit 65 Mitarbeitern, der mehrere Software-Entwicklungsteams unter einem Dach vereinigt. Was war der Grund dafür? Welches die Herausforderungen bei der Teambildung und -führung in diesen schwierigen Zeiten? Darüber sprachen wir mit Andreas Schmid, Vice President Software & Platforms.
Andreas Schmid, Sie sind jetzt schon über vier Monate im Amt. In diesem Interview möchten wir über Ihre Eindrücke und Erfahrungen sprechen. Aber zuerst einmal interessiert uns die Frage, wie es zu dieser Neuorganisation kam. Was waren die Beweggründe für diese Umstrukturierung?
Ich muss da etwas ausholen. Im Rahmen der grossen Reorganisation des CoC Wire Processings in Profit Centers mit klarer Marktausrichtung wurde auch der Entwicklungsbereich Software zusammengefasst, um dem Thema «Software» mehr Gewicht zu geben. Die jetzt in meinem Bereich vereinigten Teams waren vorher im Bereich Research & Development in verschiedenen Abteilungen angesiedelt. Die Abstimmung über diese Abteilungsgrenzen hinweg und die Separierung von User Interface, Maschinensteuerung und dem Testing führte zu diversen Reibungsverlusten, erschwerte die Zusammenarbeit und verlangsamte den Entwicklungsprozess.
Was hat sich bei der Software-Entwicklung für Komax-Maschinen über die Zeit verändert?
Der Software-Anteil für Neuentwicklungen ist generell grösser geworden. Die Anforderungen nach mehr Flexibilität und grosser Konfigurationsvielfalt werden zunehmend in Software gelöst. Aber wichtiger noch: Unsere Kunden werden mehr und mehr durch die Konzepte der Smart Factory herausgefordert. Mit ihrem Neubau hat Komax diesen Schritt bereits vollzogen, wir wissen also, wovon wir reden. Die digitale Fabrik erfordert ungleich mehr Vernetzung und Integrationen mit Leit- oder Produktionssystemen. Dazu kommen neue Digitale Services sowie laufend steigende Anforderungen an Qualitätsüberwachung und Rückverfolgbarkeit. Vernetzte Gesamtlösungen sind der Schlüssel für die Konkurrenzfähigkeit unserer Kunden. Dafür haben wir jetzt unsere Software-Kompetenz zusammengelegt, nutzen vermehrt Synergien und fördern eine gemeinsame Software-Basis.
Sie studierten Elektrotechnik und Robotik an der ETH und entdeckten bald ihre Leidenschaft für die Entwicklung von mechatronischen, hochpräzisen und schnellen Systemen in interdisziplinären Teams. Als Leiter einer Softwareabteilung erlebten Sie, wie wichtig es ist, alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren, um erfolgreich Produkte und Organisationen zu entwickeln. Dafür setzen Sie auf die konsequente Automatisierung und Standardisierung der Softwareentwicklung und die Anwendung von modernen Tools, Systemen und Praktiken. Das waren sicher gute Voraussetzungen für diese Position. Wie konnten Sie sich in die neue Aufgabe einarbeiten?
Ich hatte mit Komax einen Eintritt auf den 1. September 2020 vereinbart, denn vorher wollte ich während zweier Monate meinen Bruder in Bolivien besuchen. Das fiel leider wegen der Pandemie ins Wasser. So konnte ich diese Zeit dafür nutzen, um einige meiner künftigen Mitarbeiter kennenzulernen und mit ihnen bilaterale Gespräche zu führen. Einige kannte ich schon persönlich, konnte mich mit ihnen daher unverkrampft austauschen, denn ich komme ja aus der Region. Ein umfassendes Einarbeitungsprogramm hat mich die ersten Wochen begleitet und ich konnte so alle wesentlichen Bereiche von Komax kennenlernen.
Als Sie dann am 1. September Ihre Arbeit aufnahmen, waren Ihre zukünftigen Mitarbeiter weit im Unternehmen verstreut und arbeiteten im Homeoffice. Wie haben Sie sich organisiert?
In den ersten Wochen suchte ich den Kontakt mit möglichst vielen Leuten, um Bedürfnisse, Wünsche und Anregungen zu sammeln. Dann veranstalteten wir Workshops, um die Prozesse für unsere zukünftige Zusammenarbeit innerhalb des Bereichs und mit den ebenfalls neuen Profit Centern zu entwickeln. Viele dieser Meetings fanden schon über Videokonferenzen statt. Mit diesem Medium bin ich zwar erfahren, denn an meiner vorherigen Stelle arbeite ich eng mit Entwicklern und Organisationen zusammen, die in vielen Ländern zuhause waren. Aber Workshops online durchzuführen, sind schon eine Herausforderung, gerade wenn man sich gegenseitig noch nicht so gut persönlich kennt.
Wann haben Sie Ihre zukünftige Mannschaft zum ersten Mal als Ganzes kennengelernt?
Das war am 20. Oktober bei einer ersten Bereichsinfo, die ich natürlich nicht vor Ort, sondern als Videokonferenz mit rund 80 Personen durchführen musste. Aber das war keine Konferenz, ich führte einen regelrechten Monolog, sah nur die Dutzenden kleinen Avatars auf meinem Bildschirm. Ich erkannte keinerlei Reaktionen, kein Feedback, null, nada. Das war eine eindrückliche neue Erfahrung für mich, fast schon surreal und ich wusste nicht, ob das, was ich da erzählt hatte, auch wirklich ankam.
Jetzt hatten alle Sie schon einmal am Bildschirm erlebt und das war sicher hilfreich für das weitere Vorgehen. Somit konnten Sie weitere Massnahmen einleiten, um alles für den Start am 1. Januar vorzubereiten.
Es ging zuerst darum, die interne Organisation und die Zusammenarbeit unserer Teams mit den Profit Centern zu konkretisieren. Wir mussten aber auch zu einem Konsens gelangen, was wir dann im 1. Quartal mit welchen Prioritäten umsetzen konnten. Dafür setzten wir ein grosses Planungsmeeting an, wiederum als Videokonferenz mit teilweise über 100 Teilnehmern, diversen parallelen Break-Out Sessions und Infoveranstaltungen. Ziel war es, teilweise im Plenum zu informieren und verhandeln und dann wieder in Arbeitsgruppen detailliertere Pläne auszuarbeiten. Zur Vorbereitung führten wir diverse Schulungen und Workshops durch. Das lohnte sich, denn in anderthalb Tagen erreichten wir viel und waren jetzt gut auf den Start vorbereitet.
Wie wurden Sie in dieser Vorbereitungsphase durch die Geschäftsleitung unterstützt?
Das lief unter idealen Voraussetzungen. Mein «Götti» (schweizerisch für Pate) war Franco Viggiano, damals Vice President Research & Development, also von dem Bereich, in dem die Teams bis anhin angesiedelt waren. Er kannte natürlich die Geschichte, die neuen Anforderungen und alle meine Anspruchsgruppen und Ansprechpersonen im Detail und konnte mir dadurch immer wieder helfend zur Seite stehen und meine Ideen reflektieren.
Zu Jahresbeginn waren Sie also so weit, dass der neue Bereich grundsätzlich funktionierte. Wie ging es dann weiter?
Mit dem neuen Gebäude hätten jetzt alle 65 zusammen auf einem Stockwerk arbeiten können – optimale Voraussetzungen für ein Teamwork. Doch jetzt galt die Homeoffice-Pflicht und wir mussten uns anders behelfen. All unsere Meetings fanden per Video statt. Dies war eine grosse Herausforderung, da die Teams teilweise neu zusammengestellt wurden und die Prozessabläufe für viele neu waren. Unser agiler Entwicklungsprozess beruht darauf, dass wir uns täglich in den Teams austauschen, alle 2 Wochen die nächsten Zwischenziele abgleichen und regelmässig Retrospektiven durchführen, sodass wir das mit dem Product Management vereinbarte Quartalsziel einhalten können. Dies alles virtuell durchzuführen, war eine ganz grosse Umstellung, welche die Teams aber mit viel Elan und proaktivem Engagement bravourös meisterten. Daneben mussten wir uns auch strategischen Themen zuwenden. Wie können wir die Kultur verbessern? Welche Prozesse lassen sich vermehrt automatisieren? Wie können wir unsere Organisation weiterentwickeln? Wie bringen wir mehr Visibilität in unsere Ergebnisse? Welche Fähigkeiten müssen wir weiterentwickeln? Kurzum: Wie können wir die Qualität unserer Arbeit weiter verbessern?
Welche Erfahrung haben Sie bis heute mit der Zusammenarbeit im Homeoffice gemacht?
Da gibt es eigentlich ganz viele positive Aspekte. Die Meetings beginnen sehr pünktlich, weil die Teilnehmer nicht mehr die Räume wechseln müssen. Sie sind mehr auf die Themen fokussiert und schreiben ihre Protokolle gleich selbst in Echtzeit. Damit entfallen viele unnötige Diskussionen im Nachhinein. Dann gibt es aber auch Handicaps. Bei der Arbeit am virtuellen Whiteboard können Verzögerungen zu Konfusionen führen. In Diskussionen reden oft mehrere Personen gleichzeitig. Zwar lässt sich auf dem Bildschirm ein virtuelles Händchen einblenden, wenn man sich zu Wort melden möchte. Aber oft weiss der Moderator nicht so recht, in welcher Reihenfolge seine Teilnehmer drankommen sollen. Deshalb gibt es klare Vorteile für real stattfindende Besprechungen. Dort erkennt man viele Reaktionen an der Körpersprache und kann entsprechend darauf reagieren. Zudem macht das ständige «in den Bildschirm starren» müde und man muss genug Pausen einplanen. Ich habe aber den Vorteil, dass meine Leute aus der Software-Ecke kommen und daher die Hemmschwelle für virtuelle Meetings tief ist. Falls technische Probleme auftauchen, können die meist gleich selbst gelöst werden, wir sind ja vom Fach :-).
Wie kann man in Homeoffice-Zeiten die Moral aufrechterhalten?
Das ist eine sehr schwierige Sache und ich habe kein Patentrezept dafür. Uns fehlen die gemeinsamen Kaffeepausen sowie Korridorgespräche, nicht nur in geschäftlicher Hinsicht, sondern auch privat. Das kann man bei virtuellen Meetings berücksichtigen, indem man auch mal Smalltalk zulässt und sich Persönliches erzählt. Ich ermuntere meine Teamleiter, diesen informellen Austausch zu suchen und bei Teammeetings und Einzelgesprächen mit ihren Mitarbeitern eventuelle Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden. Kürzlich hatte unsere Human Ressource Abteilung die gute Idee, ein Online Escape Game anzubieten, das rege genutzt wurde, um sich auch einmal mal ausserhalb der Arbeit zu treffen. Das schweisst zusammen.
Wie erleben Sie das Homeoffice persönlich?
Ich schätze es sehr, dass ich zu Hause eine Familie habe. Das sorgt einerseits für Halt und Struktur und ich sehe meine Kinder nun auch am Mittag und nicht erst am Abend nach der Arbeit. Ich achte auf eine Mittagspause und finde es prima, dass ich für den Arbeitsweg keine Zeit verliere. Anderseits fehlt mir die Bewegung, ich bin ja nicht im Gebäude unterwegs, um Kollegen zu treffen. So musste ich mir angewöhnen, jeden Abend noch hinauszugehen, zum Joggen oder Biken oder zu Not auch nur für eine Runde ums Quartier, nicht aus Leidenschaft, sondern aus purer Vernunft.
Freuen Sie sich auf die Zeit danach?
Ja, riesig, besonders darauf, mit meinen Teams von Angesicht zu Angesicht zusammenarbeiten zu können. Wir werden sicher rasch und einfach den Weg von der virtuellen zur realen Welt zurückfinden. Anderseits habe ich jetzt die Annehmlichkeiten des Homeoffice entdeckt. Einen Tag pro Woche könnte ich mir das weiterhin vorstellen. Das scheint mir machbar, für mich wie auch für meine Mitarbeiter.
Kontakt
Andreas Schmid ist seit September 2020 bei Komax tätig. Er führt den neuen Bereich Software & Platforms, wo nach agilen Methoden die Software für die Komax Maschinen entwickelt und gewartet wird.