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Interview: «Bei einem defekten Hochvoltkabel steht der Wagen still.»

Trends

Für den Antrieb ihrer Motoren braucht es für Elektroautos Hochvolt-Kabel von höchster Qualität, die nur mit automatisierter Kabelverarbeitung erreicht werden kann. Schon heute kann Komax dafür ausgereifte Lösungen anbieten. Mehr darüber in diesem Interview mit Remo Baumgartner, verantwortlich bei Komax für die Entwicklung des Marktsegments Automotive.

Darum gehts

  • Bereits vor mehr als acht Jahren begann Komax mit ersten Entwicklungen im Hochvolt-Bereich. Deshalb kann sie schon heute ihren Kunden ausgereifte Lösungen anbieten.

  • Das Produktionsvolumen ist heute gross genug für die Automatisierung, allerdings ist die Komponentenvielfalt eine grosse Herausforderung für eine hohe Automatisierung.

  • Komax kann heute mit der Lambda 240 flexible Produktionskonzepte anbieten, mit der Lambda 440 sogar Automatisierungslösungen für hohe Produktionsvolumen.

Remo Baumgartner, vor ein paar Wochen veröffentlichten Sie in diesem Newsportal einen Beitrag zum Thema Trends, in dem Sie ausdrücklich Bezug auf die Elektromobilität nahmen. Wie beurteilt Komax heute die Chance, dass die Elektromobilität im erhofften Mass zunimmt?

Heute sind wir ganz sicher, dass sie kräftig Fahrt aufnimmt. Starke Signale kommen zum Beispiel von deutschen Autoherstellern, die klare Zeitpunkte für den Ausstieg aus der Verbrenner-Ära bekanntgeben und ihre Strategie auf Elektromobilität ausrichten. Damit geben sie den Takt vor, dem andere zwangsläufig folgen müssen. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Ab und zu kam von Kundenseite auch die Frage, ob ausreichende Volumen für die hohe Automatisierung überhaupt erreicht werden können. Aber über die Jahre strebten wir stets mit grosser Überzeugung nach vorn. Deshalb sind wir – jetzt, wo es wirklich anzieht – bereit, unseren Kunden ausgereifte Lösungen anbieten zu können.

Dann erkannte Komax also schon früh den zukünftigen Bedarf für Hochvoltlösungen?

Ja, das war vor über sechs Jahren. Damals begannen wir sofort mit den ersten Entwicklungen, auch wenn das Volumen noch moderat am Steigen war. Im Zeitraum von 2014 akquirierten wir mit SLE (heute Komax SLE) im bayerischen Grafenau wertvolles zusätzliches Knowhow für die Verarbeitung von geschirmten Leitungen. So entstanden ab 2017 die ersten Maschinen – Lambda 240 für HV-Steckersysteme, welche höhere Querschnitte, die Verarbeitung von Schirmmaterial und weitere Herausforderungen berücksichtigten. Weil deutsche OEMs sehr aktiv im BEV-Bereich werden, begannen wir um das Jahr 2018 mit den ersten Hochvolt-Projekten für eine halbautomatische Verarbeitung der Leitungsenden mit der Lambda-240-Plattform für eine «high mix / low volume»-Produktion.

Wo und wie laufen heute Entwicklung und Produktion?

Weil die Kundenbedürfnisse weltweit laufend stiegen, mussten wir uns entsprechend organisieren. So gründeten wir das Kompetenzzentrum Elektromobilität bei Komax Thonauer in Budakeszi (Ungarn). Um der Nachfrage gerecht zu werden, entwickeln wir auch dezentral in Grafenau und weiteren Standorten. Das funktioniert und brachte uns weit. Zwingende Basis dafür ist eine für alle gültige gemeinsame Plattform.

Wo und wie holt sich Komax wesentliche Informationen im Hinblick auf Trends und zukünftige Bedürfnisse?

Die bekommen wir aus dem Markt. Es gab Zeiten, da erhielten wir in einem Monat vielleicht eine Handvoll Anfragen, heute ist es das Mehrfache. Erste Anfragen kamen von Kunden aus dem bekannten Niedervolt-Segment, von unseren Key Accounts. Laufend zunehmend gibt es auch Anfragen von neuen Marktplayern, die den Markt nach solchen Lösungen absuchen. Auch wenn Kunden oft nur Maschinen wollen, möchten wir gemeinsam mit ihnen Produktionskonzepte entwickeln. So erzielen sie mit den Maschinen eine optimale Investitionsrendite. Qualität spielt hier immer mehr eine zentrale Rolle. Gesucht werden Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Da können wir besonders punkten, zum Beispiel mit Taping von Kabatec oder Laserbeschriftung von Laselec oder Exmore.

Wie viele Hochvolt-Leitungen werden für Elektroautos benötigt?

Bei den mit Batterie betriebenen (BEV) sind es rund 30 Leitungsenden, bei den Plug-in-Hybriden (PHEV) immer noch rund 15 bis 20. Die Vielfalt der Komponenten ist eine Herausforderung für die Automatisierung, denn kein Kabel ist wie das andere, da gibt es unterschiedliche Querschnitte, ein- oder mehradrige Kabel usw. Oft haben diese sogar unterschiedliche Steckersysteme an den Leitungsenden.

Dann stellt das sicher hohe Anforderungen an die Automatisierung.

Ja, sehr hohe. Für die Niedervolt-Kabelsätze klassisch angetriebener Fahrzeuge gilt die Formel: bekannte Prozesse bei hohem Volumen. Bei den Hochvoltkabeln für Elektrofahrzeuge ist es genau umgekehrt. Die Vielfalt neuer Komponenten stellt die automatisierte Kabelbearbeitung vor Herausforderungen und senkt die zu produzierende Stückzahl. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn noch gibt es keine State-of-the-Art-Technologien für die Hochvolt-Kabelbearbeitung.

Weshalb braucht es bei diesen eher kleinen Volumen überhaupt Automatisierungslösungen?

Dafür muss man klar die Bedeutung dieser Hochvoltkabel erkennen, welche die Motoren mit Energie versorgen. Hier geht es um Qualität. Fällt eine Türverriegelung aus, ist das nicht weiter schlimm, dann fährt man eben zur Reparaturwerkstatt. Bei einem defekten Hochvoltkabel steht der Wagen still. Das können und wollen Automobilhersteller sich nicht leisten. Deshalb stellen sie höchste Anforderungen an die Qualitätssicherung sowie laufend steigende Ansprüche an die Rückverfolgbarkeit.

Üben deshalb auch die OEMs einen gewissen Druck auf die Kabelverarbeiter aus?

Ja, denn sie erkennen klar, dass sich die benötigte Qualität nur mit automatisierten Prozessen sicherstellen lässt. Ein wesentliches Kriterium ist dabei der Austausch und das Sammeln von Daten. Unsere Maschinen bauen auf dem OPC-UA-Standard auf. Dank ihm lassen sich diese Produktionsdaten an ein MES-System weitergeben. Dort werden sie gespeichert und verwaltet.

Welche Daten werden in der Praxis benötigt? 

Mit dem Kunden zusammen ermitteln wir den Bedarf. Das ist eine wichtige Teilaufgabe unserer Beratung und dabei hilft auch unsere Erfahrung aus dem Aerospace-Bereich mit extrem hohen Erfordernissen.

Wo steht Komax heute mit ihren Entwicklungen auf dem Weg zur Automatisierung?

Zurzeit machen wir uns bereit für die Mixed-Mode-Produktion, damit meinen wir unterschiedliche Steckersysteme auf derselben Maschine, sowie für die höchste Automatisierungsstufe. Dafür verbessern wir laufend unsere Prozessmodule. Mit der stetigen Weiterentwicklung der Lambda 240 können wir mehrere Prozesse abdecken. Das wiederum verbessert die Wirtschaftlichkeit der Anlagen.

Dann wäre Komax eigentlich bereit für die Vollautomatisierung?

Schon heute könnten wir eine Produktion voll automatisieren, aber bei den heutigen Volumen geht es darum, dass wir immer wieder zusammen mit unserem Kunden herausfinden, welche Prozesse zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine Teilautomatisierung in Frage kommen. Das ist Teil unserer Begleitung der «Customer Journey» und ein Aspekt unserer gelebten Kundenähe. Ein weiteres starkes Argument ist unsere langjährige weltweite Präsenz. Entscheidet sich der Kunde zum Beispiel für eine Produktion in China oder Mexiko, dann weiss er, dass wir dort mit einem bewährten Vertriebs- und Servicenetz vertreten sind.

Was kann der Leser tun, wenn er mehr über die Automatisierungsmöglichkeiten im Hochvoltbereich erfahren möchte?

Anlaufstelle für Fragen und Beratungen sind die lokalen Vertretungen des Komax Netzwerks. Aber auch ich stehe gerne für Auskünfte bereit und freue mich auf Kontaktaufnahmen.


Kontakt

Remo BaumgartnerMarktsegment-Management

Arbeitet seit 2016 für Komax – zu Beginn als Projektmanager im Bereich Automationsprojekte. Heute ist er verantwortlich für die Entwicklung des Marktsegments Automotive und neugierig, was die Zukunft der Automatisierung bringt.


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